Wie wurde Lantek zu einem der führenden Anbieter von Software für die Blechbearbeitung?
Der Anspruch, „führender Anbieter“ zu werden, wurde schon früh vom Gründer von Lantek als Vision für unsere internationale Bedeutung formuliert – und entsprechend von mir als Auftrag gesehen. Unser Erfolgsrezept in Deutschland ist ein stabiles Team ohne große Mitarbeiterfluktuation, das dem Kunden mit perfektem Know-how Lösungen liefert. Als Zeichen, dass auch unsere Kunden diese Kontinuität schätzen, werte ich, dass die Zahl der Wartungsverträge kontinuierlich gestiegen ist und heute 50 Prozent unseres Umsatzes ausmacht.
Als wir damals auf den deutschen Markt kamen, hatten wir einen einzigen Kunden: Messer Cutting Systems in Groß-Umstadt. Mit unserer Software in ihren Maschinen haben sie die ersten sechs Kunden in Deutschland generiert.
Unsere Strategie für den Weg zur Marktbekanntheit war, erst einmal über mehrere Maschinenhersteller eine Kundenbasis zu schaffen, die uns als Referenz für weitere Interessenten diente. Wer Software anbietet, betreibt ja zunächst „abstraktes Verkaufen“ von Problemlösungen und hat kein physisches Produkt dabei: Dem Kunden erschließt sich erst im Verlauf der Nutzen der Software und er versteht, was unsichtbar vor sich geht. Und doch werden wir am Endergebnis, einem perfekten Schnitt eines Teils, gemessen. Das war anfangs auch körperlich recht mühsam – da bin ich noch mit einem Server-Turm und einem 19-Zoll-Röhrenbildschirm zu den Kunden gefahren, bis Laptops verfügbar waren.
Das klingt wie Pionierarbeit in grauer Vorzeit.
War es im Grunde ja auch – wenn man bedenkt, dass ein Jahr vor der Eröffnung unserer deutschen Niederlassung mit Windows 95 die erste grafische PC-Bedienoberfläche auf den Markt kam. Das Programmierergebnis unserer CAD/CAM-Schachtelsoftware, der CNC-Code, gelangt heute mit einem Mausklick zur Maschine. Anfangs ging das noch über Lochstreifen, die gedruckt und dann von der Maschine eingelesen werden mussten. Später erfolgte die Übertragung über ein Signal – man konnte das Zeile für Zeile am Bildschirm verfolgen. Mit entsprechender Hardware haben wir die Signale getestet und, ob sie auch bei der Maschine ankamen. Einmal wollte das einfach nicht gelingen – bis wir herausfanden, dass eine Maus irgendwo ein Kabel durchgebissen hatte.
Welche Rolle spielen heute Maschinenhersteller (OEM, Original Equipment Manufacturer) für Lantek?
Über ihre Anlagen, die mit unserer CAD/CAM-Software ausgestattet sind, haben wir sie frühzeitig als entscheidenden Vertriebskanal definiert und genutzt, um die Marke Lantek in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu etablieren. Wir pflegen diese Kooperationen weiterhin intensiv und bauen sie kontinuierlich aus, denn darüber erreichen wir häufig neue Kunden und sie geben uns eine stabile Grundlage für weitere Expansion.
Warum ist die Multivendor-Politik von Lantek so wichtig?
Der herstellerübergreifende Ansatz war damals revolutionär und weitsichtig zugleich. Ich habe ihn erst bei Lantek kennengelernt, als Software mehrheitlich ein hauseigenes Beiwerk im Portfolio der Maschinenhersteller war – und die Syntax ihrer Maschinen-Codes ein gut gehütetes Geheimnis. Um über Umwege herauszufinden, wie sie das CAM-Ergebnis in den CNC-Code zur Maschinensteuerung übersetzen, mussten wir mitunter dicke Handbücher wälzen.
In diesen Anfängen steckt unsere Pionierarbeit zum besseren Verständnis der Herausforderungen beim Ansteuern der Maschinen. Permanent gilt es, Innovationen in der Schneidtechnologie und individuelle Anforderungen der Kunden zu beachten und umzusetzen. Das sind die Triebfedern für die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Software.
So gut wie niemand hatte in den Anfängen eine Vorstellung davon, welche Entwicklung Software einmal nehmen würde. Die gesamte Software von Lantek war aber von vornherein auf Multivendor ausgelegt, zum Erfolg von Lantek und zum Nutzen der Kunden, der mit einer herstellerübergreifenden Steuerung all seiner Maschinen seinen Maschinepark beliebig erweitern kann.
Wie hat Lantek sein Portfolio ergänzt, um die Blechbearbeitungsunternehmen weiter zu unterstützen?
Nach den CAD/CAM-Software-Modulen Lantek Expert und Lantek Flex 3d haben wir den Fokus schnell auf die Fertigungsverwaltung MES gerichtet. Mit Lantek Manager können Anwender auftragsübergreifend fertigen und jederzeit den Status der Fertigung beobachten und nachvollziehen. Selbstverständlich war und ist auch noch heute eine Menge Überzeugungsarbeit beim Kunden notwendig. Schließlich ist das ein Ansatz, der mit dem „Papierdenken“ oder der gefühlten größeren Flexibilität kollidiert, wenn er auf Zuruf oder aus seinem Gedächtnis organisiert. Da werden mitunter noch Auftragsmappen auf dem Tisch favorisiert, die der Kunde zur Fertigungsorganisation hin- und herschiebt.
Nach Lantek Manager sind wir bald in die Verwaltung und Warenwirtschaft eingestiegen und haben mit Lantek Integra ein ERP-Tool (Enterprise-Resource-Planning) auf den Markt gebracht, das unsere Software-Suite komplettierte. Unsere Kunden können jetzt den ganzen Ablauf mit Lantek steuern: vom Import der Geometriedaten des Kunden bis zur Ausgabe der Rechnungsinformationen über eine Fibu-Schnittstelle. Lange bevor die deutsche Bundesregierung 2011 auf der Hannover Messe den Begriff „Industrie 4.0“ geprägt hat, haben wir bei Lantek schon in diesem Sinne gedacht – und Maschinen und Abläufen mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie vernetzt. Unser Gründer hat diese Vision vorangetrieben und ihre Umsetzung von seinen Mitarbeitern gefordert. Deswegen steht Lantek Integra heute als ausgereiftes Produkt da.
Welchen Nutzen hat die Blechindustrie davon?
Als Spezialist, der aufgrund langjähriger Markterfahrung die Anforderungen der Blechfertiger kennt, hat Lantek seine Software-Suite als Lösung für genau diese Branche konzipiert. Unser Ziel: mit einer einheitlichen, datengeschützten Lösung Schnittstellen zu reduzieren und damit auch den Aufwand, den eine Übergabe von Daten zwischen verschiedenen Software-Insellösungen bedeutet. Als Kenner der Branche können wir zudem unsere Software der weiteren Entwicklung der Blechfertigung anpassen.
Wie gewinnen Sie Ihre Erkenntnisse?
Eine Quelle unseres Erfolgs ist unsere konsequente Internationalisierungsstrategie. Dadurch setzen wir uns permanent der Konfrontation mit verschiedenen Vorgehensweisen und Maschinentypen aus – und tauschen uns international darüber aus.
Ohne das immer direkt zu merken, profitieren auch unsere Bestandskunden von unserer Marktführerschaft und internationalen Präsenz. Denn jede neu gewonnene Expertise findet über unsere jährlichen Updates Eingang in unsere Standardlösung. Dadurch bleibt die Software für unsere Kunden bezahlbar und wir müssen nicht bei jeder neuen Konstellation von vorne anfangen, eine Lösung zu entwickeln. Zudem gewährleisten wir damit die Reproduzierbarkeit einer Installation – wie auch immer die Situation beim Kunden vor Ort ist. Das ermöglicht unseren Technikern eine einfache Wartung und Softwarepflege, inklusive aller Sonderanpassungen und Individualisierungen.
Damit eine Software modern und jung bleibt und nicht irgendwann zu einem Dinosaurier wird, der aus der Zeit fällt, müssen Veränderungen in der Branche und Weiterentwicklungen in der Hardware- und Software-Welt kontinuierlich einfließen.
Ist die Branche in Deutschland und auch in Österreich und der Schweiz bereit für diese Technologie?
Auf jeden Fall. Deutschland ist ein Hochindustrieland. Da uns die Rohstoffressourcen fehlen, sind wir auf Knowhow und höchste Effizienz angewiesen – und der entsprechende Kostendruck und Wettbewerb machen die Blechfertigung sehr aufnahmefähig für Softwarelösungen und zum Treiber für Weiterentwicklungen. Deswegen schenkt Lantek dem deutschen Markt große Aufmerksamkeit – und vor allem den Impulsen und Entwicklungsvorschlägen unserer Kunden.
Eine gute Entwicklung zeigt der Aufbau eines Händlernetzwerks, dass wir beispielsweise in Österreich jemanden haben, der die Mundart der Menschen vor Ort spricht und ihre Denkweise kennt: unser Vertriebspartner Rene Gruber von SALZIT. Ähnlich nah beim Kunden sind unser Kollege Jelle van Harsselaar bei CNC Gear in den Niederlanden und unser neuer Vertriebspartner Hannes Andresen von Shira MediTec in Norddeutschland. Damit haben wir ein sehr starkes und intaktes Ökosystem um Lantek herum etabliert. Und unsere neueste Entwicklung, die cloudbasierte Plattform Lantek 360, wurde so konzipiert, dass Ingenieurbüros wie das von Rene Gruber darauf eigene Lösungen entwickeln können und das Lösungsportfolio von Lantek erweitern – zum Nutzen des Kunden.